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Die Aufgabe von Führung ist es nicht zu demotivieren

Aktualisiert: 11. März 2023

Kennst Du das? Du wacht morgens ganz sanft auf, die ersten Sonnenstrahlen fallen durchs Fenster; leise hörst Du ein paar Vögel zwitschern... und Du denkst Dir – heute… ja, heute bin ich so richtig demotiviert! Ich werde alle anzicken und unproduktiv arbeiten, meinen Mitmenschen und vor allem MIR einen richtig, richtig anstrengenden Tag machen!

Unvorstellbar? Wieso denken viele dann so über ihre Kollegen:Innen…

"Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen dem Blitz und einem Glühwürmchen.", Mark Twain

Wirklich gefährlich wird es jedoch erst, wenn der Widerstand wegbleibt und die Mannschaft zur Selbstpensionierung und Fehlervermeidung neigt. Gefährlich für das Unternehmen, denn die Ideen, Bedenken, Kreativität und vieles mehr fließt nicht mehr ins Unternehmen ein. Diese Mitarbeitende verspüren oft eine innere Trägheit, Lustlosigkeit - innere Kündigung ist das Stichwort.


Wenn Du am Schreibtisch sitzt und von Hawaii träumst verlieren alle! Du bist weder am Schreibtisch noch auf Hawaii. Ein Irrsinn, wenn man bedenkt, dass es gerade in der ha­wai­i­a­nische Lehre namens Huna heißt, den Fokus der eigenen Aufmerksamkeit zu schärfen, um ein zufriedenes Leben zu führen.


Wenn dieses Signal dann noch duch Führungskräfte als Erfolg der Motivierungsstrategie ausgelegt wird, fährt das Unternehmen im Kreisverkehr. Vielleicht sogar mit angezogener Handbremse, zu hohen Drehzahlen und kurz vorm stehen blieben.


Eine Pattsituation? In der Literatur und im Trainingsangebot spiegelt sich die Verzweiflung vieler Manager wieder. Altbekannte Ansätze werden neu verpackt und versprechen, die Motivation der Angestellten. Die dahinterliegende Annahme: beobachtetes Bedürfnis + entsprechender Anreiz = gewünschtes Verhalten (Vgl., Sprenger, R.K.). Das gleicht dem, wenn wir versuchen Agilität über ein Daily Scrum oder Jira-Board einzuführen, ohne die Grundannahmen zu hinterfragen und eine ganzheitliche Sicht einzunehmen.


Was hinter der Motivation steht und weshalb wir die postulierten Leitfäden schleunigst vergessen sollten ist Thema dieses Beitrages.






Theorien, Modelle & Erfahrungen

 

Hinter jeder Bemühung einer Führungskraft zur Motivation der Mitarbeitenden steht die Behauptung, dass nicht die gesamte Arbeitsleistung erbracht wird, dass noch etwas mehr möglich wäre, dass eine Lücke besteht, dass sie nicht den Vertrag erfüllen. Woher rührt dieses Misstrauen?


Die Folge sind Maßnahmen zur Motivierung und Unternehmensbefragungen mit dem Ziel Antworten zu gewinnen: Wie können wir mehr aus dem Team herausholen?

Es werden Mitarbeiter-Personas erstellt, Prozentzahlen zur Verteilung der Personas vorgegeben, Boni-Programme ausgeklügelt und immer mal wieder ein "weiter so", "gut gemacht!" ausgesprochen - meistens schon fast nur noch per Chat getippt.


Damals musste ich selbst mein Team in Quadranten mit den Achsen Performance und Potential einteilen. Bei Gehaltsverhandlungen wurden die ausgepriesenen Bonis dann doch mit dem Fixgehalt kumuliert und als Argumentationsbasis verwendet. Natürlich sollten die Diagramme, Auswertungen und Bewertungen nicht transparent gemacht werden. Ich frage mich, wann hören wir auf über die Kollegen:Innen zu sprechen und fangen an mit ihnen zusprechen?




Wissenschaftliche Basis

 

Teils beruhen solche Maßnahmen sogar auf wissenschaftlichen Modellen. Einer der ersten publizierten, entwicklungspsychologischen Ansätze stammt von Abraham Maslow, der Motive über das rein schematische Denken stellte. Der Ansatz ist nicht empirisch überprüft und Maslow hatte damals bereits erkannt, dass die Defizitbedürfnisse (psychologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse und Selbstachtung) unterschiedlich ausfallen können und die hierarchische Abfolge variieren kann. Ziel nach diesem Modell sind die Wachstumsmotivationen: Selbstaktualisierung und -Verwirklichung. In späteren Arbeiten unterscheidet Maslow letztere weiter in kognitive Bedürfnisse (Neugier, Wissen, ...), ästhetische Bedürfnisse (Organung, Symmetrie, ...) und Selbstverwirklichung.


Literarische Modelle (als weitere Beispiele zählen 2-Faktoren-Theorie nach Herzberg oder Theorie X / Theorie Y) werden oft missverstanden oder in der Umsetzung traivalisiert. Wo Forscher über die Unschärfe der Erhebungen und Vereinfachung bzw. Ausschluss von Faktoren zur Darstellung in Modellen wissen, werden diese in Beiträgen, Trainings und vor allem in der Umsetzung oft nicht (genügend) beachtet.


Mit der herzbergischen Forschung fand bereits ein Perspektivwechsel von allgemeinen Motiven zu dem individuellen Umfeld und Einflüsse statt. Neuere Studien greifen bereits situative Variablen und dynamische Kontexte auf. Die Empfhleung: Individualisierung! Mitarbeitende bzw. individuelle Motivationen sind zu beobachten, zu analysieren und situationsgerechte Maßnahmen abzuleiten. Nicht nur der zeitliche Aspekt bereitet mir Sorge, sondern hinzu kommt, dass neben vielleicht sogar hilfreichen Hinweisen, eigene Projektionen, Selbstbestätigungstendenzen und Unschärfen in den Beobachtungen und Auswertungen mitmischen. Die Abbildung der inneren Vorgänge ist nunmal sehr komplex und verläuft nicht in einem einfachen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang.


Theorien und Modelle sind hilfreich! Sie helfen zu lernen, zu verstehen, indem sie vereinfachen, ausblenden, visualisieren. Fatal ist es hingegen diese einfach als Wahrheit zu übernehmen! Nicht weiter zu denken, nicht zu reflektieren, zu hinterfragen, den Kontext zu prüfen und die individuellen Faktoren der Person, der Situation zu berücksichtigen.






Motivation & Bedeutung für Führung

 


Einer meiner frühere Führungskräfte hatte sich für das jährliche Mitarbeitergespräch ausgedacht das Tool Moving Motivators zu nutzen. Ich mag das Tool und spiele gerne selbst bei persönlichen Entscheidungsfindungen damit, um verschiedene Alternativen besser zu durchleuchten und ggf. neue Aspekte aufzudecken, die mir noch nicht bewusst sind. Auch im Coaching setze ich es regelmäßig in der Arbeit mit Klienten:Innen ein.

Neu im Unternehmen und gespannt auf meine Führungskraft bin ich offen ins Gespräch reingegangen und kam demotiviert wieder raus. Das Gespräch hatte sich wie eine Bestandsaufnahme beim Arzt angefühlt. Es ging zwar um mich, aber das Ziel dieses Vorgesetzten war es Informationan zu sammeln (für sich). Noch frustrierender war, dass ich in den nächsten Monaten keinerlei Änderung, keinerlei Rücksprache oder eingehen auf die doch so gut dokumentierten Motive beobachten konnte.


Motivation stammt vom lateinisch movare (bewegen), was soviel bedeuet wie, etwas in Bewegung versetzen und auf die dahinterliegende Beweggründe zielt. Weshalb verhalten sich Menschen so und nicht anders, was bewegt dieses Verhalten?


Mittlerweile in jedem Unternehmen angekommen, dass intrinsische Faktoren mehr als extrinsiche Belohnungen zählen, wenn auch oftmals nicht gelebt. Hierbei geht es um die Eigensteuerung des Individuums.

Im Gegensatz dazu, wird im wirtschaftlichen Kontext die Motivierung größtenteils als Steuerung durch die Führungskraft definiert. Verschärft wird die Annahme, dass eine Führungskraft für die Motivation der Mitarbeitenden zuständig, gar verantwortlich ist mit Sprüchen wie: "Kriegst Du Deine Leute etwa nicht richtig motiviert."




Daraus würde sich schließen lassen, dass die Führungskraft nur ein paar Hebel drücken müsste und alle sind hoch motiviert und arbeiten mit kompletter Leidenschaft. Doch so einfach?


Scheinbar nicht, denn trotz jeglicher Leitfäden, die man im Internet findet, scheint keins dieser Patentrezept zu greifen. Immer mehr Mitarebitende machen dienst nach Vorschrift und freuen sich mehr auf den Feierabend oder das Wochenende - so denken zumindest die meisten Manager. Zurecht, denn mit dem Ansatz, dass die Führungskraft einfach nur das Beste aus den Leuten herausholen muss, wird die Selbstwirksamkeit und Eigeninitiative der Mitarbeitenden abgestritten. Und trotzdem zählt die Motivierung zu den Top 5 Fähigkeiten einer Führungskraft.


Was dahinter steht? Die Frage: Wie können Mitarbeitende dazu gebracht werden, das zu tun, was ich / die Organisation möchte, weil er/sie aus sich alleine heraus ... nicht will!? Nach Dr. Reinhard K. Sprenger lassen sich die Maßnahmen dann in die 5 B gliedern: belohnen, belobigen, bestechen, bedrohen und bestraften.


Nein? Danach wird in Deinem Unternehmen nicht gehandelt? Nur ein paar Beispiele, um auf Nummer sicher zu gehen

  • belohnen - gerne über Anreizsystemen wie individuellen Bonis gespielt

  • belobigen - "weiter so", "besser als ich erwartet hätte", ...

  • bestechen - wenn ..., dann ...

  • bedrohen - oft implizit vermittelt, indem Ziele zur nächsten Karrierestufe unsicher erscheinen oder bestimmte Bewertungen nur vom Vorgesetzten abhängig sind

  • bestrafen - besonders beliebt im Zusammenspiel mit belobigen; Ist die Abhängigkeit erst einmal hergestellt, kann das ausbleiben schon einer Bestrafung nahe kommen

"Es gibt keine Tatsachen, nur Interpretationen. Welche Interpretationen sich durchsetzt, ist eine Frage der Machtverhältnisse, nicht der Wahrheit.", Friedrich Nietzsche

Wenn Führungskräfte bewusst oder unbewusst denken, dass die Mitarbeitenden zu Hause nur Urlaub auf Balkonien machen und im Büro nur Kaffeetrinken spiegelt sich das bereits in der Kommunikation und im Verhalten wieder. Wenn Führungskräfte denken, dass sie ihre Mitarbeitenden motivieren müssen, wie soll mann dann auf Augenhöhe miteinander arbeiten?





Kulturen, die auf Vertrauen setzen

 


Wie schätzt Du Deine eigene Leistungsbereitschaft ein? Wie denkst du, dass deine Führungskraft diese bewerten würde? Wie möchtest du "motiviert" werden?


Das Selbstbild (Führungskraft über sich) und Fremdbild (Führungskraft über Mitarbeitende) stimmen meist nicht überein. Vielleicht ist es sogar gut so, denn wenn man weiß, dass eine andere Person so schlecht über einen denkt, weshalb dann noch die Mühen?


Menschen suchen eine Tätigkeit, deren Zielsetzung sie akzeptieren, deren Sinn sie erkennen und die sinnvoll für das eigene Leben ist. Aktivitäten, in denen sie sich entfalten können, in denen sie einen Sinn sehen, in denen sie sich gut fühlen - dann werden entsprechende Hormone ausgeschüttet: sich als Person angenommen fühlen (Endorphine), integriert (Oxycontin), anerkannt (Serotonin) werden und etwas leisten können (Dopamin). Menschen möchten nicht weniger leisten - sie führen ihre Energien vielleicht einfach lieber in einen Abenteueruralub oder Hobbyprojekt, wenn der Rahmen auf der Arbeit nicht gegeben ist.


Was bedeutet das nun für Führung? Verlockend (jedoch riskant) wäre es jetzt einen Leitfaden zu schreiben... stattdessen möchte ich einfach ein paar Fragestellungen mitgeben:


  • Wann bin/war ich selbst richtig motiviert? Welcher Rahmen, welche Faktoren sind dann gegeben?

  • Welche Voraussetzungen, welcher Rahmen sollten gegeben sein, damit Arbeit gut erfüllt werden kann?

  • Wofür stehe ich morgens auf? Wofür stehen meine Kollegen:Innen auf? Wie könnten wir das integrieren?

  • Wie geht es den Personen mit den jeweiligen Aufgaben, um aktuellen Umfeld? Welche Ideen sind vorhanden es noch besser zu machen?

  • ...


A leader ist like a farmer, who doesn't grow crops by polling them but instead creates the perfect environment for the crops to grow and thrive., Kontingent, Peter

Einen Tipp möchte ich doch gerne mitgeben: Dieser Ansatz funktioniert nur, wenn Du wirklich offen und mit Neugierde Deinen Mitarbeitenden begegnen und sie einbeziehen möchtest – als Partner, als Team (was nicht negiert, dass Du die Rolle der Führung hast).



Literatur

Sprenger, R.K. (2021): Mythos Motivation. Wege aus einer Sackgasse. Campus.



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